Schweizer Buchhandels- und
Verlags-Verband SBVV

Buchhandlung und Verlag des Jahres 2025

Die Nominierten

Seit 2010 vergibt der SBVV den Preis des Schweizer Buchhandels. Jeweils drei Buchhandlungen und drei Verlage werden nominiert. Dieses Jahr sind dies Buchzeichen in Langenthal, der Kinderbuchladen Baumhuus in Luzern und Obergass Bücher in Winterthur sowie die Verlage Chronos in Zürich, Helvetiq in Basel und rüffer & rub in Zürich. Ab dem 30. April kann das Publikum auf der Website des SBVV abstimmen. Die siegreiche Buchhandlung und der siegreiche Verlag erhalten je 4000 Franken, die Nominierten je 2000 Franken. Die Verleihung findet am 16. Juni in Bern statt, im Anschluss an die Generalversammlung des SBVV in der Schweizerischen Nationalbibliothek.


Buchzeichen, Langenthal

Die Jury zu Buchzeichen, Langenthal:

«Buchzeichen Langenthal hat sich mit Innovation in einem ländlichen Umfeld behauptet, auch dank der drei sehr engagierten Teilhaberinnen. Die individuell gestaltete Website bietet eine wunderbare Ergänzung zum Sortiment in der Buchhandlung.»


Kinderbuchladen Baumhuus, Luzern

Die Jury zum Kinderbuchladen Baumhuus, Luzern:

«Muriel Hürlimann setzt viele neue Ideen mit Elan konsequent um. Die Buchhandlung ist mit Liebe zum Detail eingerichtet. Mit ihrer mutigen und proaktiven Art konnte sie in kürzester Zeit eine begeisterte Stammkundschaft aufbauen.»


Obergass Bücher, Winterthur

Die Jury zu Obergass Bücher, Winterthur:

«Seit Jahren eine beliebte Anlaufstelle in Winterthur. Die einzigartige Gestaltung der Schaufenster lädt ein zu stöbern und neue Bücher zu entdecken, und ihre Veranstaltungen locken neues Publikum in die Buchhandlung.»


Chronos-Verlag, Zürich

Die Jury zum Chronos-Verlag, Zürich:

«Seit 40 Jahren überzeugt das Team mit einem vielfältigen Sach- und Fachbuchprogramm. Es ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern etabliert sich mit spannenden Veranstaltungen und einer durchdachten Strategie für Open Access.»


Helvetiq, Basel

Die Jury zu Helvetiq, Basel:

«Der Verlag besticht durch ein innovatives Team, das seit seiner Entstehung neben den Spielen ein vielseitiges Buchprogramm auf die Beine stellt – und das mehrsprachig. Es ist international tätig und erfolgreich und erobert stetig neue Märkte.»


rüffer & rub, Zürich

Die Jury zu rüffer & rub, Zürich:

«Ein spannender Sachbuchverlag, der seit 25 Jahren unter anderem durch seine multimedialen Präsentationen und starken Veranstaltungen heraussticht. Trotz Beständigkeit bleibt er innovativ, und er ist 2018 fulminant mit einem Literaturprogramm gestartet.»

DAS IST DIE JURY:

  • Matthias Vatter, vatter&vatter (Gewinnerverlag 2024)
  • Gabriela Bader, Buchhandlung zum Zytglogge (Gewinnerbuchhandlung 2024)
  • Burkhard Ludäscher, Verlagsvertreter Buchzentrum
  • Rosie Krebs, Verlagsvertreterin Scheidegger & Co.
  • Myriam Lang, SBVV, Buchmessen und Promotion

*Alle bisherigen nominierten und ausgezeichneten Buchhandlungen und Verlage finden Sie in dem beigefügten PDF


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Eine Herzensangelegenheit

Eine Buchhandlung lebt vor allem von der Persönlichkeit der Menschen, die dort arbeiten. Diesbezüglich ist das Buchzeichen in Langenthal reich beschenkt – mit drei äusserst charismatischen Inhaberinnen.

BuchzeichenDie Buchbranche ist eine Herzensangelegenheit. Auch wenn sie in anderen Jobs mehr Geld verdienen und eine steilere Karriere hinlegen könnten, stecken ihre Akteure und Akteurinnen ihre ganze Energie und Leidenschaft in die Welt des Buchs. Beispielhaft lässt sich das an der Buchhandlung Buchzeichen in der Altstadt von Langenthal aufzeigen. Ohne die seit Jahren anhaltende Begeisterung und den grossen Einsatz der drei Inhaberinnen Brigitte Berger, Susanna Paoletti und Beatrix Stuber gäbe es das Geschäft nicht. «Und auch nicht ohne die tatkräftige Unterstützung unserer Ehemänner», gibt Brigitte Berger unumwunden zu. «Die Buchhandlung ist sozusagen ein erweitertes Familienunternehmen.»

Treue Stammkundschaft

Gut für Langenthal, dass dem so ist! Denn das Buchzeichen dient, wie viele andere Buchhandlungen, nicht nur als Umschlagplatz für Gedrucktes, sondern als kultureller Treffpunkt, als Andockstation für gute Gefühle, als Plattform für hilfreiche Anregungen und so weiter – einfach als Ort, den man gern aufsucht. «Wir haben eine grosse und sehr treue Stammkundschaft, die uns unterstützt», sagt Beatrix Stuber. Untergebracht ist das Buchzeichen in einem Gebäude im klassizistischen Baustil von 1837. Erst war hier ein Stoffladen ansässig, dann zog eine evangelische Buchhandlung ein. Das Etikett haftet dem Buchzeichen an, obwohl die religiöse Ausrichtung der Vergangenheit angehört. «Es ist schon eindrücklich, wie lang sich so etwas hält», sagt Brigitte Berger und lacht. Sie arbeitete bereits unter den vorherigen Inhaberinnen hier. Als sich diese in die Pensionierung verabschieden wollten, fragten sie Brigitte Berger an, ob sie Interesse an einer Übernahme hätte. «Ich konnte mir das vorstellen, aber nicht allein», sagt die gelernte Buchhändlerin. Die ausgebildete Kauffrau Susanne Paoletti, die ebenfalls bereits in der Buchhandlung tätig war, konnte sich einen Einstieg ebenso vorstellen wie die mit den beiden Frauen befreundete Kantonsschullehrerin und Bibliothekarin Beatrix Stuber.
 

Eine Stadt und doch nicht

2018 ging die Buchhandlung in die Hände der drei Frauen über, und sie wurde rundum erneuert. Das Sortiment wurde angepasst und massiv erweitert. Ein Schwerpunkt liegt beim Bilderbuch, ausgebaut wurde das Angebot an Sachbüchern, Belletristik und Krimis, viele Non-Books wie Geschenkkarten oder Kinderspiele kamen hinzu. Das Sortiment wird ständig angepasst. «Langenthal ist eine Stadt und doch nicht», sagt Susanna Paoletti. «Graphic Novels zum Beispiel mögen sich anderswo gut verkaufen, bei uns sind sie nicht besonders gefragt.» Grosse Namen laufen auch im Buchzeichen gut, viele Kundinnen und Kunden lassen sich aber auch gern persönliche Tipps der Inhaberinnen geben.
 

Eine Bücherwohnung

Noch stärker als das Sortiment wurde das Aussehen der rund 100 Quadratmeter grossen Buchhandlung verändert. «Mein Vater war Schreiner und Innenarchitekt, und der Umbau des Buchzeichens war seine letzte Arbeit», sagt Brigitte Berger. Man sieht sofort: Der Mann wusste, wie man’s macht. Er schuf eine Buchhandlung, in der man sich sehr gern aufhält, die eher als luftig-gemütliche Bücherstube denn als Geschäft daherkommt. Besonderen Wert legen die Inhaberinnen auf die Schaufenstergestaltung. Eine befreundete Antiquitätenhändlerin stellt immer wieder Möbel zur Verfügung – einen alten Holzschlitten im Winter, eine Werkbank, ein hübsches Tischchen –, Künstlerinnen und Künstler aus der Region stellen Werke aus. Dass die drei Inhaberinnen ein gutes Gespür für Schaufenster haben, beweist ihre brandneue Kaffeemaschine. «Wir gewannen sie bei einem Schaufenster-Wettbewerb des Wagenbach- Verlags», sagt Susanna Paoletti. Gesucht war die schönste Präsentation des Ehrengasts der letztjährigen Frankfurter Buchmesse, Italien. Kurzerhand rückten die drei Frauen unter anderem eine alte Vespa ins Schaufenster.
 

Idealismus und Austausch

Stellen wir den drei ausnehmend sympathischen Frauen die Gretchenfrage: Warum führen sie eine Buchhandlung? Beatrix Stuber: «Aus Idealismus! Ich mag das Pluralistische, dass man mit Büchern sehr verschiedene Menschen ansprechen kann – ein Gegenentwurf zur Polarisierung, die immer stärker um sich greift.» Dem können sich ihre Kolleginnen anschliessen. «Den Menschen tolle Texte oder wunderbare Bilderbücher weiterzugeben, das ist das Grösste», sagt Brigitte Berger. Auch da gibt es keinen Einspruch. Ebenso wenig beim Schlusswort von Susanna Paoletti: «Der Austausch mit den Kundinnen und Kunden ist toll. Viele kommen einfach her, um sich ein bisschen umzusehen und zu plaudern.»



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Geschichten erleben

Während der Covid-19-Pandemie fragte sich Muriel Hürlimann: Wohin soll ihr beruflicher Weg sie führen? Die Antwort fand die Kindergartenlehrerin in der Welt der Bücher. Im Sommer 2023 eröffnete sie in Luzern das Baumhuus, eine Buchhandlung, in der Kinder und Erwachsene Geschichten nicht nur lesen, sondern erleben können.

Kinderbuchladen BaumhuusBeim Betreten des Kinderbuchladens Baumhuus taucht man in eine eigene kleine Welt ein – voller Geschichten, Fantasie und Geborgenheit. Der Blick wandert über Bücherregale, die für ein harmonisches Ambiente sorgen. Eine grosse Wandtapete zeigt einen dichten Wald, grüne Farbtöne und viel Holz bestimmen das Bild. Eine Treppe führt hinauf zur Galerie, wo eine gemütliche Leseecke mit weichen Kissen und Teppichen zum Verweilen einlädt. Eine Decke aus Sternen schimmert über den Sitzplätzen, während gleich daneben ein Baumhaus mit Blätterdach die Atmosphäre eines echten Verstecks vermittelt.

 

Was verborgen war

Genau so einen Ort wollte Muriel Hürlimann schaffen. Sie sagt: «Viele denken, das sei schon immer mein Traum gewesen, aber das stimmt nicht.» Während der Covid-19-Pandemie begann die Kindergartenlehrerin über ihre berufliche Zukunft nachzudenken. Um sich selbst auf die Spur zu kommen, nahm sie an einem Online-Workshop teil, der ihr helfen sollte, ihre schlummernden Wünsche und Stärken zu entdecken. «Und plötzlich war die Vision da», erinnert sie sich. «Sie traf mich mitten ins Herz. Es kribbelte am ganzen Körper, und ich hatte Tränen in den Augen – ein magischer Moment!» Bücher hatten sie schon als Kind fasziniert, und das Geschichtenerzählen war eine ihrer liebsten Aufgaben als Lehrerin gewesen.
 

Ein Ort mit Seele

Von Anfang an hatte Muriel Hürlimann eine klare Vorstellung davon, was ihre Buchhandlung ausmachen sollte. «Ich wollte, dass sie ein Ort ist, an dem man Geborgenheit spürt.» Das Bild eines Baumhauses passte perfekt dazu. Die Wahl des Standorts war für sie ebenso wichtig. Muriel Hürlimann wollte in Luzern bleiben. «Ich bin nur ein paar Strassen von hier entfernt gross geworden», erzählt sie, während sie im Baumhaus am Basteltisch sitzt. Gleichzeitig sollte die Buchhandlung in einem jungen Quartier liegen, wo Familien leben. «Ich schaute mir Neubauprojekte von Baugenossenschaften an und fand schnell dieses Ladenlokal an der Claridenstrasse. » Die Übernahme im Rohbau bot ihr die Möglichkeit, den Raum ganz nach ihren Vorstellungen zu gestalten.
 

Die Vision wird real

Die Finanzierung des Innenausbaus stemmte die 32-Jährige mit Eigenkapital sowie einem Crowdfunding, das 25’000 Franken einbrachte. Zusätzlich erhielt sie ein Darlehen der Baugenossenschaft sowie ein privates. Gemeinsam mit einer Innenarchitektin verwandelte sie das Lokal schliesslich in eine echte Wohlfühloase. Gleichzeitig bereitete sie sich auf ihren neuen Beruf vor: Im Oktober 2022 absolvierte sie den Quereinsteigerkurs des SBVV. Nebenbei arbeitete sie weiterhin als Kindergartenlehrerin. Im Mai 2023 war der Kurs fertig, im August öffnete das Baumhuus zum ersten Mal seine Türen. Das Sortiment wählte Muriel Hürlimann sorgfältig aus: Neben klassischen Kinderbüchern finden sich hier auch Titel mit pädagogischem Hintergrund für 0- bis 14-Jährige, Erziehungs- und Lebensratgeber für Erwachsene sowie besondere Spielwaren. «Mir ist wichtig, dass mein Angebot nicht nur unterhält, sondern auch die Sprachentwicklung, die Feinmotorik und das logische Denken fördert», erklärt sie.
 

Ein Treffpunkt für Gross und Klein

Ein zentraler Bestandteil des Betriebs sind die Veranstaltungen, die regelmässig im oberen Bereich des Geschäfts stattfinden. Dazu gehören Krabbeltreffs, Sinneserlebnisse mit Geschichten und haptischen Aktivitäten, Bastel-Events oder Vorlesestunden für Kindergartenund Schulklassen. Auch Erwachsene kommen auf ihre Kosten: Es gibt Kindernotfallkurse, erziehungspädagogische Workshops oder Veranstaltungen zur Bildwirkung in Kinderbüchern. Neu sind zudem Bastel-Workshops für Teenager und Erwachsene. «Ich schöpfe viel aus meinem Erfahrungsschatz als Kindergartenlehrerin », sagt Muriel Hürlimann. Die Veranstaltungen bewirbt sie hauptsächlich auf Instagram. Sie haben gleich mehrere Vorteile: Sie bringen neue Kundschaft in den Laden, stärken die Bindung zu bestehenden Kundinnen und Kunden und sorgen für zusätzliche Einnahmen. Langfristig möchte Muriel Hürlimann einige Veranstaltungen kostenlos anbieten – ein Ziel, das sie mit der gleichen Entschlossenheit verfolgen wird, mit der sie das Baumhuus gegründet hat.




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Die reine Lehre

Obergass Bücher verkauft Bücher. Nur Bücher. Und tut das weit über die Altstadt von Winterthur hinaus.
 

ObergassZwei, drei Minuten nach dem vereinbarten Termin rauscht Daniela Binder in die Obergass-Buchhandlung in der Winterthurer Altstadt. «Es ist zeitlich grad etwas eng», sagt sie. Mit einer Verspätung musste gerechnet werden, denn Daniela ist on tour. An diesem Vormittag besuchte sie die Bibliothek in Embrach, um dem Publikum Frühjahrs-Neuerscheinungen schmackhaft zu machen. «Ich habe die Anzahl solcher Veranstaltungen zwar etwas reduziert, aber es sind immer noch rund 40 im Jahr», so Daniela Binder. Die persönlichen Präsentationen gehören zum Erfolgsrezept von Obergass Bücher, denn sie sorgen für enge Beziehungen zu den für den unabhängigen Buchhandel so eminent wichtigen Bibliotheken.

Schneller Entscheid

Die Buchhandlung an der Obergasse in Winterthur wurde 1968 von Vater und Sohn Schneebeli gegründet. 1988 stiess Daniela Binder als Lernende zum Team. Sie ist hier also seit mittlerweile 37 Jahren tätig, und das längst als Mitinhaberin und Gesch.ftsführerin. 1994 startete Alexander Schneebeli mit buch.ch die wohl erste Internetbuchhandlung in der Schweiz. Er sei ein Visionär gewesen, sagt seine ehemalige Lernende. Bald zeigte sich, dass der Internethandel enormes Gewicht erhalten würde und die äusserst attraktive URL buch.ch mehr wert war als die zugehörige stationäre Buchhandlung. Als 1999 grosse Investitionen nötig gewesen wären, um die Internetbuchhandlung langfristig zum Erfolg zu führen, verkaufte Alexander Schneebeli sein Unternehmen gesamthaft an deutsche Investoren – mit der Bedingung, die stationäre Buchhandlung an ein Teammitglied abzutreten, sollte ein solches Interesse daran haben. «Ich hatte nur wenige Wochen Zeit, mich zu entscheiden und die Buchhandlung zu übernehmen», erinnert sich Daniela Binder. Zwei Stammkunden unterstützen sie bei der Übernahme, mittlerweile gehört die Buchhandlung vier Teilhabenden. Am 1. November 1999 wurde die frühere Buchhandlung Schneebeli als Obergass Bücher neu eröffnet; im vergangenen Winter konnte das Unternehmen folglich sein 25-Jahr-Jubiläum feiern. Heute arbeiten acht Frauen in der Buchhandlung, darunter zwei Lernende.

Bücher, ausschliesslich Bücher

Auch die Präsentationen in den Bibliotheken haben eine lange Geschichte. «1990 fragte die Stadtbibliothek Winterthur unsere Buchhandlung an, ob meine Vorgesetzte den Mitarbeitenden der Bibliothek Kinderbücher vorstellen könne», erzählt Daniela Binder. «Meine Vorgesetzte fragte mich, ob ich sie unterstützen würde. Daraus entstand dann die heutige Form, mit der ich mich allerdings an das Publikum richte.» Die Nachfrage nach den Präsentationen ist riesig. Daniela Binder geht aber nur in Gemeinden, wo es keine Buchhandlung vor Ort gibt, also sozusagen auf brach liegendes Land. Bis zu 20 Novitäten stellt sie an einem einstündigen Anlass vor. Der grosse Aufwand macht sich langfristig bezahlt, doch auch der Laden läuft gut. Auffallend ist, dass mit Ausnahme von Karten oder Schreibblöcken keine anderen Produkte als Bücher angeboten werden. Es gibt weder Kugelschreiber noch Kinderspiele zu kaufen, keine Leselämpchen oder Teetassen. Obergass Bücher zelebriert mit seinem Angebot also sozusagen die reine Lehre einer Buchhandlung. Das wirkt sich auch auf die Schaufenster aus: Ohne jeden Schnickschnack werden dort einfach Bücher präsentiert. «Aber sehr sorgfältig ausgewählte», sagt Daniela Binder. Manchmal kaufe sie Bücher einzig deshalb ein, weil sie sich im Schaufenster gut machten. «Im Gestell wären sie verschossen.»

Viel Arbeit, viel Spass

Regelmässig finden im Keller der Buchhandlung Lesungen vor bis zu 80 Interessierten statt. Im Herbst zieht Obergass Bücher jeweils für zwei Abende in ein benachbartes Schulhaus, wo im grossen Stil Bücher präsentiert werden. Die Veranstaltungen werden gefilmt und ins Internet gestellt, im Frühling folgt eine reine Videoproduktion. «Vor einiger Zeit kam eine Frau zu uns ins Geschäft und sagte: ‹Ich schaue immer Ihre Videos, jetzt wollte ich mal sehen, wie Ihr Laden aussieht›», erzählt Daniela Binder. Auch auf Instagram ist Obergass Bücher sehr aktiv, vier Mal jährlich verteilt die Buchhandlung zudem den gedruckten Newsletter «Obergass Blätter». Alles macht viel Arbeit – aber auch viel Spass. «Ich liebe es einfach, dass ich hier täglich meine Leidenschaft fürs Buch ausleben kann», sagt Daniela Binder. «Und dass wir mit so vielen verschiedenen Leuten zu tun haben, die ich zum Teil schon seit 37 Jahren kenne.» Die lange Geschichte wird weitergehen: Bereits jetzt bereitet Daniela Binder die Übergabe der Buchhandlung an ihre Mitarbeiterin Maheli Rüfenacht vor.




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Lesen, was die Zeit erzählt

Als der Chronos-Verlag 1985 gegründet wurde, lag der Fokus auf Arbeiten aus dem universitären Umfeld rund um Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Heute hat sich das Themenspektrum erweitert. Doch eines ist geblieben: der Anspruch, wissenschaftlich fundierte Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

ChronosHans-Rudolf Wiedmer ist «Geschäftsführer im Rückwärtsgang», wie er sagt. Mittlerweile 70 Jahre alt, zieht er sich schrittweise aus der Verlagsleitung zurück. Er übergibt seine Aufgaben nach und nach an seine jüngeren Kolleginnen und Kollegen: Lisa Bollinger, Walter Bossard, Noëlle Lee, Jonas Wenger und Sascha Wisniewski. Die Nachfolge ist allerdings noch offen, weshalb alle miteinander dafür sorgen, dass der Verlag lebendig bleibt.


Wenn der Zufall …

Chronos ist tief in der Wissenschaft verwurzelt. Etwa ein Fünftel der Publikationen sind Dissertationen, Habilitationen oder wissenschaftliche Sammelbände. Das hat mit der Geschichte des Verlags zu tun. «Damals schlossen viele meiner Studienkolleginnen und -kollegen ihr Studium ab und suchten nach Möglichkeiten, ihre Arbeiten zu veröffentlichen. So kamen Dieter Brupbacher und ich auf die Idee, dass wir das doch übernehmen könnten.» Die beiden Historiker legten ihre bescheidenen Ersparnisse zusammen. «Sie waren schon nach drei, vier Büchern weg. Da kam uns der Zufall zu Hilfe.» Hans-Rudolf Wiedmer war vor der Verlagsgründung als Assistent für den Historiker und Politologen Erich Gruner tätig gewesen. Dieser brachte just Mitte der 1980er-Jahre sein grosses wissenschaftliches Werk «Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz 1880–1914» zu Ende und wollte es veröffentlichen. «Er ging damit zu einem renommierten Verlag. Aber diesem war das 5000-seitige Typo-Manuskript zu umfangreich. Deshalb kontaktierte mich Erich Gruner nach dieser Absage.»

… zum Glücksfall wird

Hans-Rudolf Wiedmer war interessiert und holte den Text ab. «Es waren zwei Bananenschachteln, und alles war ein bisschen durcheinandergewürfelt», erinnert er sich. «Wir merkten schnell: Das können wir nicht mit traditioneller Satzherstellung publizieren, wir müssen auf Desktop-Publishing umsteigen – also auf das Erstellen und Gestalten druckfertiger Druckvorlagen am Computer.» Doch auf dem Geschäftskonto von Chronos lagen nur noch ein paar tausend Franken – viel zu wenig, um in Computer zu investieren. Ein Vorschuss von Erich Gruner half. Das drei Bände umfassende Werk erschien 1987 und stellte einen Wendepunkt dar. «Am Werk selbst verdienten wir zwar nichts – aber wir kannten uns nun mit Desktop-Publishing aus und publizierten von da an alle unsere Bücher so», sagt der Verleger. «Das war günstiger und verschaffte uns die Zeit, den Verlag auf ein gesundes finanzielles Fundament zu stellen.»

Schweizer Rolle und ein Metzgerpaar

Inzwischen kann der Verlag auf beachtliche Erfolge zurückblicken. Zu den bedeutendsten gehört der «Bergier- Bericht» 2001 und 2002, eine umfassende Untersuchung zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Hans- Rudolf Wiedmer: «Das war nicht nur für das Renommee des Verlags sehr wichtig, sondern auch wirtschaftlich bedeutsam. Die Auflagen waren zwar nicht riesig. Aber bei so vielen Bänden – immerhin 25 – kam einiges an Umsatz zusammen.» Eher ein Überraschungserfolg war «Fleisch und Blut. Das Leben des Metzgers Hans Meister» 2004 von Susanna Schwager. «Warum gerade dieser Titel – und auch sein Nachfolger ‹Die Frau des Metzgers› – so viele Leserinnen und Leser fand, kann ich bis heute nicht genau erklären», sagt Hans-Rudolf Wiedmer. Stand heute haben sich diese beiden Bücher je über 35 000 Mal verkauft.

Wissen für alle – kostenlos?

Doch nicht alle Bücher tragen sich selbst. «Sehr spezielle wissenschaftliche Werke können wir manchmal nur mit Zuschüssen finanzieren», so Hans- Rudolf Wiedmer. «Dafür muss man sich als Verlag nicht schämen, es gehört zum Geschäft.» Doch die Tendenz hin zu Open Access macht eben dieses Geschäft nicht gerade leichter. «Wir spüren den Druck von forschungsfördernden Institutionen stark und engagieren uns deshalb seit über zehn Jahren in der Diskussion um faire Bedingungen für Verlage und Autoren.» Gleichzeitig geht man bei Chronos in dieser Hinsicht aber auch mit der Zeit: Der Verlag bietet Open-Access-Publikationen an – jedoch nur in lektorierter und gestalteter Form und oft auch zusätzlich als gedrucktes Buch. Hans-Rudolf Wiedmer ist überzeugt: «Gedruckte Bücher wird es auch in 100 Jahren noch geben. Ob digitale Daten dann auch noch lesbar sind, ist eine andere Frage.»


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Die Symbiose

Helvetiq mit Sitz in Lausanne und Basel vereint auf verspielte Weise scheinbar Gegensätzliches: Unterhaltung und Bildung, Schweiz-Bezug und Internationalität. Dass die Kombinationen perfekt passen, zeigt der grosse Erfolg des Verlags.

HelvetiqDie Geschichte von Helvetiq begann 2008 mit einem Test: Verlagsleiter Hadi Barkat wollte sich einbürgern lassen und suchte Wege, um für den Einbürgerungstest zu büffeln. Weil es nichts Passendes gab, erfand er kurzerhand ein Spiel: Helvetiq. Die stellvertretende Verlagsleiterin Eleni Karametaxas: «Es handelt sich um ein Quizspiel über die Schweiz, das Hadi eigentlich als Nebenprojekt entwickelte.» Deshalb wurden nur 3000 Exemplare produziert, und zwar in französischer Sprache, denn Hadi Barkat lebte in der Westschweiz. «Doch das Spiel schlug ein wie eine Bombe, alle wollten es haben!» Der Verlag Helvetiq war geboren – zunächst nur in Lausanne, später folgte ein zweites Büro in Basel.
 

Ein Buch über Bier? Unbedingt!

2014 gelang dem Verlag erneut ein grosser Wurf, und zwar gleich mit seinem allerersten Buch: «Bierwandern Schweiz» von Monika Saxer. «Ein ehemaliger Mitarbeiter hatte einen Bericht über die Autorin gelesen, in dem es um Frauen und Bier ging», erzählt Eleni Karametaxas. So sei die Idee entstanden, dass Monika Saxer doch ein Buch über Wanderungen schreiben solle, deren Ziel jeweils eine Brauerei ist. Und so wie das Spiel Helvetiq wollten alle auch dieses Buch haben. «Es ist noch immer jedes Jahr unser Top-Seller, Stand heute haben wir rund 60 000 Exemplare davon verkauft.». Der Titel war der Anfang einer Reihe, die inzwischen auf 24 Bände angewachsen ist und Bierwanderungen in der ganzen Welt vorstellt. Diesen Herbst wird der Schweizer Band als komplett überarbeitete Version neu aufgelegt.

Banditen einsperren? Aber sicher!

Der zweite grosse Spiele-Erfolg nach Helvetiq war das Kartenspiel Bandido im Jahr 2016. Dabei versuchen die Spielenden gemeinsam, den Ausbruch eines Banditen aus dem Gefängnis zu verhindern. «Dieses Spiel macht süchtig », weiss Eleni Karametaxas aus eigener Erfahrung. Vielleicht deshalb, weil es zwar einfach zu spielen, aber schwierig zu gewinnen ist. Und weil es ein Spass für alle Generationen ist. «Dieses Spiel verhalf uns zur Internationalität, denn es wird in 43 Ländern in verschiedenen Sprachen verkauft.»
 

Mehrsprachigkeit? Klar!

2018 wagte Helvetiq auch mit seinen Büchern den Schritt über die Schweiz hinaus: Der Verlag startete mit einem eigenen Vertrieb für Deutschland, Österreich, Frankreich und Belgien. «Es war an der Zeit, denn wir hatten zu diesem Zeitpunkt genügend Bücher für ein ausschliesslich Schweizer Publikum produziert », sagt Eleni Karametaxas. Zudem gehört es zum Markenzeichen von Helvetiq, dass zweisprachig publiziert wird: auf Französisch und Deutsch. «Diese Zweisprachigkeit ist tief in der DNA des Verlags verankert», resümiert Eleni Karametaxas. «Wir publizieren auch stets zwei Vorschauen, eine für die Deutschschweiz und eine für die Romandie.» Die Zweisprachigkeit setzt aber auch ein mehrsprachiges Team voraus. Das ist bei den 20 Mitarbeitenden mehr als gegeben, denn im Team sind sage und schreibe 14 Sprachen vertreten.
 

Vielfalt? Natürlich!

Ebenso vielfältig ist das Publizierte. So umfasst das Spielprogramm heute rund 100 Spiele. Einfache Regeln und originelle Konzepte sind Trumpf. Hinzu kommen rund 50 Puzzles. Das Buchprogramm zählt 157 Titel; von Wanderführern und Kochbüchern über Kinder-Sachbücher bis hin zu Comics und Graphic Novels. Eleni Karametaxas: «Der Bezug zur Schweiz bleibt sehr wichtig für uns – schliesslich heisst der Verlag ja Helvetiq. Zudem legen wir Wert auf das Design.»
 

Gründergeist? Bleibt!

In den kommenden Jahren steht bei Helvetiq die Festigung im Vordergrund. Der Verlag stiess in den vergangenen Jahren in neue Bereiche vor, zum Beispiel mit den Comics und Graphic Novels oder mit dem Aufbau eines eigenen Vertriebs in den USA. Diese Strukturen gilt es nun zu festigen. Helvetiq ist ein unabhängiger Verlag, der auch heute noch stark vom Gründergeist durchdrungen ist. Nun geht es darum, alles auf ein solides Fundament zu stellen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Helvetiq eine rollenbasierte Struktur einführt und sich Eleni Karametaxas und Hadi Barkat die Verlagsleitung künftig teilen.


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Höchste Qualität

Bücher, die nicht nur erzählen, sondern auch erklären: Das ist das Konzept von rüffer & rub. Der Zürcher Verlag publiziert Sachtitel zu Fragen, die eine Antwort verdienen, und setzt dabei auf fundierte Inhalte und starke Gestaltung.
 

rüffer & rubDie Wurzeln von rüffer & rub liegen in den späten 1990er-Jahren. Anne Rüffer arbeitete damals im Haffmanns-Verlag in Zürich, wo sie den Sachbuchbereich aufbaute. «Das allererste Buch, das ich dort machte, war eines über Demenz», erinnert sie sich. «Rückw.rts! Und alles vergessen» handelt vom früheren SP-Nationalrat Otto Nauer, der seine an Demenz erkrankte Frau jahrelang pflegte. «Leider ging der Verlag in Konkurs, sodass ich überlegen musste, was ich nun mit meinem langsam aufblühenden Sachbuchbereich tun sollte», sagt Anne Rüffer. Ein guter Freund riet ihr, selbst einen Verlag zu gründen. Das tat sie im Jahr 2000 mit der inzwischen verstorbenen Dominique Rub, die sie an der Buchmesse in Frankfurt kennengelernt hatte und die damals Pressesprecherin des Eidgenössischen Departements des Inneren unter Bundesrätin Ruth Dreifuss war.
 

Das erste Buch, der erste Erfolg

Das erste Buch, das rüffer & rub verlegte, war «Swiss Paradise» von Rolf Lyssy 2001. Der Regisseur des Erfolgsfilms «Die Schweizermacher» verarbeitet darin literarisch seine Depression. Der Titel wurde ein Bestseller. Heute, genau 25 Jahre nach der Verlagsgründung, ist das Portfolio von rüffer & rub auf rund 170 Bücher in den Bereichen Medizin/ Psychiatrie, Zeitfragen, Kunst/Kultur/ Musik, Biografie und seit 2018 auch Literatur angewachsen. Sämtliche Titel wurden äusserst sorgfältig ausgewählt. Anne Rüffer: «Wir publizieren nur, wofür sich das gesamte Verlagsteam einsetzt und stark macht. Wir arbeiten akribisch an den Texten und versuchen, immer das Beste aus ihnen herauszuholen. Ich glaube, über die Qualität können wir uns als Verlag am ehesten behaupten.»
 

Das grosse Ganze im Blick

Qualität bedeutet für rüffer & rub, Fragen zu beantworten – ganz im Sinn des Verlagsslogans «Wir machen Sachbücher zu Fragen, die eine Antwort verdienen ». Anne Rüffer betont: «Was wir nicht machen, sind Bücher über Einzelschicksale. » Stattdessen legt das Team Wert auf Bücher, die persönliche Geschichten in einen grösseren Kontext setzen und sowohl Laien als auch Fachleuten fundierte Informationen bieten. Ein Beispiel dafür ist «Da und doch so fern» von Pauline Boss, herausgegeben von Irene Bopp-Kistler und Marianne Pletscher (2014). Der stellvertretende Verlagsleiter Felix Ghezzi: «Das Buch rückt Angehörige von Demenzkranken in den Mittelpunkt – eine Perspektive, die es zuvor noch nicht gab.» Anne Rüffer ergänzt: «Die Leserschaft soll nicht nur etwas über Betroffene erfahren, sondern auch über die Krankheit – in diesem Fall Demenz – als solches. Zudem soll sie Rat erhalten, was sie tun kann, um besser mit der Diagnose umgehen zu können.» Qualität bedeutet für rüffer & rub auch, die Buchgestaltung selbst zu übernehmen. Das ist die Aufgabe von Art Director Saskia Nobir, die schon über 100 Bücher für den Verlag gestaltet hat. Um die Presse und Veranstaltungen kümmert sich Stephanie Kohler.
 

Geschichten im Gespräch

Aber auch ein gut gemachtes Buch muss das richtige Publikum finden. Dafür setzt rüffer & rub auf Multimedialität: So gibt es seit 2019 für fast jeden Titel ein professionell produziertes Video. Felix Ghezzi: «Wir begannen damit, weil es immer schwieriger wurde, in den Printmedien sichtbar zu sein.» Die Clips beinhalten Gespräche mit den Autorinnen und Autoren über die Themen ihrer Bücher und sind unüblich lang – im Schnitt etwa 15 Minuten. «Doch das stimmt für uns so», sagt der stellvertretende Verlagsleiter. Und offenbar auch für die Zuschauer und Zuschauerinnen, denn die Videos werden oft mehrere tausend Mal angeklickt. Zusätzlich produziert rüffer & rub einmal pro Jahr das Verlagsmagazin Einsichten. Es wird an Veranstaltungen aufgelegt und an rund 4000 Interessierte verschickt.
 

Ruhestand? Nein, danke!

Als 67-Jährige ist Verlegerin Anne Rüffer offiziell im Pensionsalter. Ans Aufhören denkt sie deswegen aber noch nicht. «Ich könnte problemlos zwei Monate auf Reisen gehen, und der Betrieb würde trotzdem reibungslos laufen», sagt sie. Sie vertraut ihrem Team. Das sei etwas ganz Wunderbares und Kostbares. «Aber ich habe schlicht kein Bedürfnis, zwei Monate zu reisen, dafür macht mir die Arbeit viel zu viel Spass. Ausserdem: Fragen, die eine Antwort verdienen, wird es immer geben.» Stimmt. Und rüffer & rub wird versuchen, sie zu beantworten.


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